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Zuletzt angepasst am 20.04.2024

Impfprophylaxe, Pneumokokken, Grippeschutz und weitere Impfungen II

Atemwegs- und Lungeninfektionen stellen eine große Belastung für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen dar. Die zugrundeliegenden Erreger sind in den meisten Fällen entweder viral oder bakteriell.

Es kommen auch Ko- Infektionen, also mehr oder weniger gleichzeitig bestehende virale und bakterielle Infektionen, sowie sogenannte Super-Infektionen, wobei meistens im Beginn eine virale Infektion besteht, welche von einer bakteriellen Infektion gefolgt wird, vor.

Respiratorische Virusinfektionen gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Sie breiten sich vor allem unter kleinen Kindern sehr erfolgreich aus, wobei man davon ausgeht, dass diese ca. 6 Infektionen pro Jahr durchmachen. In fast allen Fällen sind die Erkrankungen jedoch selbst-limitierend und zeigen einen milden Verlauf.

Mit steigendem Alter nimmt die Zahl der Infektionen ab, steigt zwischen 20 und 30 Jahren wieder leicht an, wahrscheinlich bedingt durch die erhöhte Exposition gegenüber kleinen Kindern und sinkt dann im Allgemeinen wieder ab.  Patienten mit eingeschränkter Abwehr, und dazu zählen auch Patienten mit COPD, haben jedoch ein deutlich erhöhtes Risiko, vor allem für einen schwereren Verlauf.

Die sogenannten Rhinoviren stellen eine große Gruppe verwandter Viren dar, die über 100 Mitglieder zählt. Rhinoviren sind die häufigsten Auslöser viraler Atemwegsinfektionen, welche klinisch in den meisten Fällen als Erkältung mit dem Hauptsymptom Schnupfen in Erscheinung tritt. Sie sind aber auch die häufigsten Auslöser einer viralen Exazerbation der COPD, also einer akuten Verschlechterung der COPD mit Zunahme von Luftnot, Husten und Auswurf. Es wurde  gezeigt, dass sie selbst die unteren Atemwege direkt infizieren können und auf diese Weise die Exazerbation verursachen.

Es wird mit Hochdruck seit Jahren an Impfstoffen gegen diese Erreger gearbeitet. Dies gestaltet sich vor allem deshalb als schwierig, da die Gruppe dermaßen groß ist und jedes Mitglied anders vom Immunsystem erkannt wird, wodurch es bis jetzt noch keinen Impfstoff gibt, der das ganze Spektrum an Rhinoviren abdeckt. Eine Selektion einzelner Stämme macht bei diesen Viren keinen Sinn.

Ein weiteres wichtiges Atemwegsvirus ist das Respiratorische Synzytialvirus (RSV). Diese ist vor allem in der Kinderheilkunde bekannt. Es wurde jedoch gezeigt, dass es auch häufig bei Patienten mit COPD-Exazerbationen vorkommt. Es wird weiterhin vermutet, dass dieses Virus auch persistierende (bleibende) Infektionen verursachen kann. Auch gegen RSV sind Impfstoffe und neue antivirale Medikamente in der Entwicklung. Grippeviren sind seit langem bekannt als Auslöser von COPD-Exazerbationen.

Es gibt viele epidemiologische Untersuchungen, welche zeigen, dass während der Grippe-Saison, COPD-Exazerbationen signifikant häufiger vorkommen. Weiterhin wurden Grippeviren auch sehr häufig in den Atemwegen von Patienten mit COPDExazerbationen nachgewiesen. Grippeviren sind zur Zeit die einzigen Viren, gegen welche eine effiziente Impfung zur Verfügung steht.

Die Impfung wird allen Personen > 60 Jahre sowie allen Patienten mit COPD empfohlen. Jährlich wird die Zusammensetzung des Impfstoffes neu definiert, weshalb die Impfung jährlich zu wiederholen ist.

Weitere wichtigen Atemwegsviren, gegen welche es derzeit keine Impfstoffe gibt, sind Coronaviren, Parainfluenzaviren, das humane Metapneumovirus sowie Adenoviren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Atemwegsviren sehr häufig vorkommen, bei Gesunden milde, aber lästige, Erkrankungen verursachen, wohingegen bei COPD Patienten aufgrund der verminderten Abwehr in Atemwegen und  Lungen jedoch schwerwiegende Exazerbationen ausgelöst werden können. Er sollten alle Möglichkeiten der Prävention bei diesen Patienten genutzt werden, wobei neben Hustenhygiene, Handhygiene und anderen allgemeinen Verhaltensregeln, der Schutzimpfung ein besonderer Stellenwert zukommt.

Atemwegsbakterien sind schon lange als Auslöser von COPD-Exazerbationen und Lungenentzündungen bekannt. Ähnlich wie bei den Viren gibt eine ganze Reihe verschiedener Bakterienfamilien, welche teilweise ebenfalls über 100  verschiedene Mitglieder zählen.

Bei COPD-Exazerbationen werden am häufigsten diejenigen Bakterien gefunden, welche auch in den oberen Atemwegen vorkommen und häufig diese auch kolonisieren. Es handelt sich um Pneumokokken (Streptococcus  pneumoniae), Haemophilus influenzae und Moraxella catharralis.

Bei schwergradiger COPD werden zunehmend auch kompliziertere Bakterien wie zum Beispiel Pseudomonas aeruginosa angetroffen. Diese werden als „komplizierter“ bezeichnet, da die üblichen Antibiotika hier nicht mehr wirksam  sind und speziale Antibiotika verordnet werden müssen.

Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass die unteren Atemwege nicht steril sind, wie früher gedacht, sondern vergleichbar mit der Situation in den oberen Atemwegen, auch mit Bakterien kolonisiert zu sein scheinen. Es scheint  also auch eine „gesunde Bakterienflora“ in den unteren Atemwegen zu geben. Was dazu führt, dass aus dieser Kolonisation eine Infektion mit Auslösung einer Exazerbation wird, ist noch weitgehend unbekannt.

Es könnte sehr gut sein, dass äußerliche Faktoren das Gleichgewicht stören. Hierbei spielen wahrscheinlich die oben besprochenen Atemwegviren eine wesentliche Rolle neben anderen Faktoren wie Zigarettenrauch und  Luftverschmutzung.

Nichtsdestotrotz werden jedoch bei COPD-Exazerbationen sehr häufig, nach einigen Untersuchungen in bis zu 85% der Fälle, Antibiotika eingesetzt. Viel günstiger wäre es, bakterielle Infektionen vermeiden zu können.

Die moderne Medizin blickt auf eine lange Erfahrung mit Bakterien-Impfstoffen zurück. Was die Atemwegsbakterien angeht, so gibt es jedoch nur Impfstoffe gegen Pneumkokken und den Keuchhustenerreger Bordetella pertussis. Beide gehören zu den Standardimpfungen im Kindesalter. Für Pertussis gibt es keine spezifische Indikation für COPD Patienten.

Die Empfehlung für Menschen > 60 Jahre lautet, dass im Rahmen der 10-jährlichen Auffrischimpfung gegen Tetanus und Diphterie die nächste zusammen mit Pertussis geimpft werden sollte. Es gibt nur sehr wenig Untersuchungen zu diesem Thema.

Mehr Evidenz gibt es für die Pneumokokken Impfung. Sie wird auch als Standard für Personen > 60 Jahre sowie als Indikationsimpfung für Patienten mit COPD empfohlen.

Auf dem Gebiet der Pneumokokken-Impfstoffe gibt es interessante neue Entwicklungen. Es gibt seit kurzem einen neuen konjugierten Impfstoff. Von diesem weiter entwickelten Impfstoff wird eine stärkere Wirksamkeit erwartet mit besserem Schutz.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Impfprophylaxe einen großen Stellenwert in der Prävention von Atemwegs- und Lungeninfektionen und ihren Komplikationen, vor allem der Exazerbation der COPD hat.

Die Impfraten bei COPD Patienten sind leider noch nicht ausreichend. Auch stehen noch nicht für alle wichtigen Erreger wirksame Impfstoffe zur Verfügung. Eine bessere Überwachung der zirkulierenden Erreger (Surveillance) wie auch eine Weiterentwicklung der Impftechnologien sollten die Basis für die notwendigen Fortschritte auf diesem wichtigen Gebiet bieten.

Quelle: Vortrag von Prof. Dr. Gernot Rohde Maastricht Universitary Medical Centre Department of Respiratory Medicine, auf dem 8. Symposium Lunge am Samstag, den 12. September 2015 von 9:00-17:00 Uhr in Hattingen (NRW)

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