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Zuletzt angepasst am 26.03.2024

Compliance des Patienten - Was fördert, was verhindert die „Therapietreue“?

Die Grundvoraussetzung für den Heilerfolg insbesondere bei chronischen Erkrankungen, also auch bei chronischen Atemwegserkrankungen, ist die sogenannte „Compliance“ der Patienten.

In dem folgenden Beitrag wird in den Begriff der „Compliance“ nicht nur die Treue des Patienten zur vereinbarten Therapie, sondern auch die Treue zum Therapeuten, also dem behandelnden Arzt, eingeschlossen. Die Identifikation des Patienten mit der Heilmethode seiner individuellen Erkrankung und mit seinem Arzt und die daraus resultierende innere Bereitschaft, seinen Beitrag zum Therapieerfolg zu leisten, führen daher zur Compliance, wie sie in den folgenden Ausführungen verstanden wird.

Compliance wird demnach von folgenden Faktoren getragen:

  • Vertrauen
  • Verstehen
  • Therapieerfolg

Ein weiterer Faktor, der bisher noch nicht angesprochen wurde, ist das Ausmaß des Aufwands, der – aus Sicht des Patienten – mit der Therapie verbunden ist.

Die Compliance des Patienten verstärkt – allgemein gesprochen – seine Verhaltensweise hinsichtlich:

  • Einhaltung
  • Erfüllung
  • Befolgung

Verhalten wirkt sich zum Beispiel in der Weise aus, dass der Patient seine abgesprochenen Termine einhält, seine Medikamente – wie vereinbart – einnimmt, belastende Schadstoffe meidet und gegebene Empfehlungen beachtet.

Wichtige Faktoren, die die Compliance günstig beeinflussen, sind:

  • Wissen über die Erkrankung
  • Wissen über die Therapie
  • innere Bereitschaft zur Therapie
  • Wahrnehmung des Erfolges der Therapie
  • leichte Durchführbarkeit der Therapie
  • kurze Verweildauer im Falle einer Klinikeinweisung
  • wenige Wiedereinweisungen
  • Zufriedenheit mit der Behandlung

Um diese Faktoren überhaupt entstehen zu lassen, muss auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient „stimmen“. Mit einem „Gott in Weiß“ lässt sich allerdings kein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Arzt und Patient aufbauen. Ein solches Arztbild sollte nur noch zur Erinnerung an vergangene Zeiten in Museen hängen!

In unserer Zeit sollten alle Bemühungen zur Schaffung und zur Erhaltung eines part­ner­schaftlichen Verhältnisses zwischen Arzt und Patient getragen werden von einer

- gemeinsamen Entscheidungsfindung
- motivierenden Beratung des Patienten
- Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt und Patient

Dabei kommt der Kommunikation eine besondere Beachtung zu, denn allzu häufig klagen die Patienten, dass ihnen der Arzt nicht zuhört, sie nicht ausreden lässt oder gerade heute wenig Zeit hat („Sie haben doch selbst gesehen, wie viele Patienten noch im Wartezimmer sitzen.“ „Das können wir ja bei Ihrem nächsten Besuch ausführlich besprechen.“)

Die wichtigsten Aspekte für eine das partnerschaftliche Verhältnis fördernde Kommunikation seitens des Arztes sind, wenn man sich einmal bewusst darüber Gedanken gemacht hat, eigentlich nicht schwer im Praxisalltag zu verwirklichen. Im Einzelnen sind zu nennen:

Der Ton macht die Musik

Ein einfühlsamer Ton des Arztes, der vor allem der gesundheitlichen oder besser der „krankheitlichen“ Situation des Patienten angemessen Rechnung trägt – auch Patienten haben einmal einen schlechten Tag – kann schon viel Verständnis signalisieren und aufbauen.

Instruktionen und Empfehlungen müssen klar und verständlich sein

Der Arzt weiß, was er dem Patienten sagen will; das sollte er dann auch klar und für einen Laien verständlich dem Patienten sagen. Es ist erfahrungsgemäß hilfreich, den Patienten zwischendurch oder spätestens am Ende eines Gesprächs zu fragen, ob er denn auch wirklich alles verstanden hat oder ob er noch Fragen hat.

Wer die Wahl hat, hat die Qual, oder gibt es keine?

Alle Patienten mit einer chronischen, insbesondere mit einer voraussichtlich lebenslangen Erkrankung stellen – verständlicherweise – häufig die Frage: „Gibt es nicht noch eine andere Möglichkeit der Behandlung, die mir helfen könnte?“

Patienten mögen es und danken dafür, wenn sie erleben, dass auch ihr Arzt sich über ihre Therapie „Gedanken gemacht hat“.

Sicher bedarf eine chronische Erkrankung auch einer chronischen Therapie – gerade deshalb ist ja die Compliance so wichtig -, oder gibt es nicht doch einmal eine Wahlmöglichkeit, die dem Patienten, der vor dem Arzt sitzt oder liegt, angeboten und von ihm ausprobiert werden kann.

Eine regelmäßige Peak-Flow-Messung kann dann sicherstellen, dass nichts aus dem Ruder läuft.

Wer gute Argumente hat, braucht keine „Drohungen“

In einem Arzt-Patienten-Gespräch geht es zunächst einmal primär um die Übermittlung sachlicher Informationen durch den Arzt an den Patienten. Sachinformationen müssen die Arzt-Patienten-Beziehung tragen. Emotionen, die durch Ungeduld, Verärgerung („Sie rauchen ja immer noch.“), vielleicht sogar Zorn („Wenn Sie so weiter machen, leben Sie nicht mehr lange!“) ausgelöst werden, belasten Ge­spräche und verärgern dann tatsächlich Arzt und/oder Patient.

Es lohnt sich, positiv und mutig mit seiner Erkrankung umzugehen

Der Arzt kennt viele Patienten, der Patient zunächst einmal – mindestens bis zur Diagnose seiner chronischen Erkrankung – nur sich selbst. Gerade Patienten, bei denen – wie wir alle wissen, häufig leider viel zu spät – eine COPD diagnostiziert wird, fallen häufig in ein tiefes Loch. Bei vielen Betroffenen entsteht eine Depression, die konsequent behandelt werden muss. Die (chronische) Erkrankung zu akzeptieren und von da an eine positive Einstellung zu seiner Erkrankung und zum weiteren Leben zu finden, sind wesentliche Voraussetzungen zur Erreichung der noch möglichen Lebensqualität. Hier kann der Arzt im Gespräch mit dem Patienten durch die Einbringung positiver Beispiele, die er selbst bei seinen Patienten schon erlebt hat, wesentlich dazu beitragen, Ängste abzubauen.

Als weitere Faktoren, die die Compliance günstig beeinflussen, sind zu nennen:

  • Leidensdruck
  • Schulung, Wissen
  • Sicherheit bei der Handhabung von Hilfsmitteln
  • Gedächtnishilfen
  • Schwierigkeiten beheben
  • Einbeziehung des sozialen Umfeldes

Die langjährigen Erfahrungen bei der Betreuung unserer Patienten zeigen immer wieder, dass mit der Zunahme des Leidensdruckes, der von der Erkrankung ausgeht, die Bereitschaft zunimmt, die vereinbarte Behandlung auch zu befolgen. Auch die angemessene Schulung und ein – wie auch immer – selbst erarbeitetes Wissen (regelmäßige Teilnahme an den Infoveranstaltungen lokaler Selbsthilfegruppen, Broschüren, Internet) fördern – wie sollte es auch anders sein – die Compliance.

Hilfreich sind erfahrungsgemäß weiterhin Gedächtnishilfen. Sie könnten zum Beispiel darin bestehen, die so wichtige Einnahme der Medikamente fest in den normalen Ablauf des Alltags zu integrieren. Das heißt, die Medikamente liegen immer an derselben Stelle und sie werden immer zur selben Zeit eingenommen. In Abhängigkeit von dem individuellen Verbrauch von Medikamenten können in einem Kalender die Termine eingetragen werden, an denen ein neues Rezept besorgt werden muss.

Ein wesentlicher Beitrag, den der Arzt zur Förderung der Compliance leisten kann, besteht darin, eventuelle Schwierigkeiten des Patienten im Umgang mit seiner Erkrankung zu erkennen. Das wird nur im Gespräch mit dem Patienten selbst möglich sein, indem dieser aufgetretene Probleme entweder von sich aus anspricht oder indem der Arzt seinerseits „routinemäßig“ danach fragt. Es sei denn, die gemessene Lungenfunktion des Patienten ist so schlecht, dass die fehlende Compliance direkt „sichtbar“ wird.

Compliance kann auch dauerhaft gewährleistet sein, wenn das soziale Umfeld der Betroffenen in die Bewältigung der Erkrankung eingebunden wird. Das gilt vor allem für Angehörige, Freunde, Arbeitskollegen. Ausführungen zu diesem Aspekt würden allerdings den Rahmen dieses Beitrages sprengen.

Der wichtigste Faktor, der Compliance nachhaltig schafft, ist der Erfolg der Therapie. Wenn der Patient seine Erkrankung „im Griff“ hat, hat er keinen Grund, an der Wirksamkeit seiner Medikamente und damit an der Richtigkeit der Diagnose und der vereinbarten Therapie zu zweifeln.

Die meisten der bei der Behandlung chronischer Atemwegserkrankungen eingesetzten Medikamente müssen von den Patienten inhaliert werden. Sie können allerdings ihre volle Wirkung nur dann entfalten, wenn sie in dem erforderlichen Ausmaß dorthin gelangen, wo sie wirken sollen, nämlich in die Lunge.

Weil dies so ist, hat allerdings auch jeder Patient einen Anspruch auf eine individuelle Behandlung.

Die medikamentöse Behandlung des Patienten wird dann individuell, wenn der Arzt auf Folgendes achtet:

  • das „passende“ Inhalationssystem
  • die „passenden“ Medikamente

Wie kommt der Patient zu dem für ihn persönlich „passenden“ Inha­lations­system mit dem „passenden“ Medikament? Das Angebot an Inhalationssystemen – Dosieraerosole, Pulverinhalatoren –, die zur Verabreichung der Medikamente bei den chronischen Atemwegserkrankungen COPD und Asthma zur Verfügung stehen, ist auf den ersten Blick für Patienten verwirrend. Die Vielfalt der Inhalationssysteme bietet aber auch die große Chance, dem Patienten das System zu verordnen, das am Besten auf seine Person zugeschnitten ist. Es leuchtet unmittelbar ein, dass ein 25-jähriger, an einem Asthma erkrankter Medizinstudent mit einem viel Koordinationsfähigkeit erfordernden Dosieraerosol – zumindest theoretisch – besser zu Recht kommen sollte, als ein 75-jähriger COPD-Patient. Für diesen Patienten wäre – falls seine Einatmungsfähigkeit dies zulässt – wahrscheinlich ein atemzuggesteuerter Pulverinhalator die bessere Lösung. Deswegen sollten Arzt und Patient darauf achten, dass im Zeitablauf zur Verbesserung der Compliance auch einmal über einen Wechsel des Inhalationssystems nachgedacht wird.

Ähnlich ist die Situation bei den verordneten Medikamenten. So kann es sinnvoll sein, von der Verschreibung von Inhalationssystemen mit jeweils nur einer Wirksubstanz (Kortison und zusätzlich ein die Bronchien erweiterndes Mittel) – hoffentlich wenigstens aus einem artgleichen System – auf die Verordnung eines entsprechenden Kombinationspräparates überzugehen. Diese Medikamente haben zudem den großen Vorteil, dass der Patient das aus seiner Sicht „gefährliche“ Kortison nicht einfach absetzen kann. Erfahrungsgemäß verbessern auch lang wirksame bronchial erweiternde Medikamente die Compliance.

Zusammengefasst kommt es also darauf an, dass das individuell richtige Medikament einfach eingenommen werden kann, seine Nebenwirkungen überschaubar sind und möglichst keine, höchstens jedoch geringe Zusatzkosten für die Patienten entstehen.

Eine besondere Gruppe von Patienten stellen die älteren Patienten dar. Bei diesem Personenkreis wird die Compliance häufig erschwert durch zusätzliche körperliche Beeinträchtigungen. Dazu gehören beispielsweise verminderte Merk- und Sehfähigkeit sowie eingeschränktes Hörvermögen und verringerte Geschicklichkeit. Hinzu kommen können Probleme beim Schlucken, eine gewisse „Eigenwilligkeit“ und ein eventuell schon bestehender geringerer Lebenswille. Untersuchungen zeigen, dass mit der Zunahme des Alters und der Schwere der Erkrankung die Medikamente immer „falscher“ und nicht mehr konsequent genug eingenommen werden. Eine wirkliche Lösung für die Gewährleistung der Compliance bei älteren Patienten ist noch nicht erkennbar. Vielleicht kann der noch darzustellende „Compliance Assistent“ wenigstens dabei Hilfe leisten.

Welche Faktoren gefährden die Compliance am meisten und was können Arzt und Patient dagegen tun?

Im Einzelnen sind zu nennen:

  • fehlender Behandlungswunsch
  • ausbleibender Therapieerfolg
  • schlechte Erfahrungen, insbesondere häufige Rückfälle
  • Verschlechterung der Grunderkrankung
  • fehlendes Vertrauen als Folge von
  • Störungen im Arzt-Patient-Verhältnis
  • zu viele Medikamente
  • grundsätzliche Vorurteile
  • Ängste, vor allem vor Nebenwirkungen

Ohne eine konkrete Zuordnung zu den genannten Faktoren vorzunehmen, sind folgende Vorgehensweisen zur Lösung solcher Compliance-Probleme erforderlich:

Der Wunsch beziehungsweise die Einsicht zur Behandlung setzt voraus, dass die Krankheit – so merkwürdig das auch klingen mag – als solche wahrgenommen wird. Hier helfen vor allem Informationen über die Symptome, beispielsweise aufgrund einer Patientenschulung und der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe. Dies gilt auch, wenn Zweifel an der Richtigkeit und dem Erfolg der Therapie bestehen. Hier sind geeignete Selbstkontrollen, zum Beispiel regelmäßige Peak-Flow-Messungen, hilfreich.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Seit kürzerer Zeit wird versucht, die Compliance dadurch zu verbessern, dass ein „Compliance Assistent“, der in einem Krankenhaus oder in einer Arztpraxis tätig sein kann, dem Patienten zur Seite steht. Hierfür gibt es eine eigens geschaffene Zusatzqualifizierung für Personal aus den Bereichen Medizin, Pharmazie und Pflege.

Die Aufgabe des Compliance Assistenten ist es, den Patienten konsequent in die Behandlung einzuführen mit dem Ziel, ihn selbst, soweit wie möglich, zum Manager seiner Erkrankung zu machen. Dazu gehören verständlicherweise insbesondere ausführliche, laienverständliche Erläuterungen zur Diagnose, zum Ziel der Behandlung – und zu den Behandlungsschritten –, zu den Medikamenten sowie generell die Beantwortung aller Fragen des Patienten.

All das, was der Compliance Assistent zusammen mit dem Patienten tut, sollte auch in knapper Form dokumentiert werden. Denn nur dann können später „Unstimmigkeiten“ und mutmaßliche oder tatsächliche Missverständnisse auch zweifelsfrei geklärt werden. Ein Compliance Assistent kann wesentlich dazu beitragen, den Therapieerfolg des Patienten zu verbessern. Es bleibt zu wünschen, dass Ihnen in naher Zukunft bei Ihrem Arzt oder bei einem Klinikaufenthalt möglichst oft Compliance Assistenten behilflich sind.

Quelle: Professor Dr. med. Rainer W. Hauck, Bad Reichenhall

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