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Zuletzt angepasst am 20.04.2024

Indikationsstellung zur Lungentransplantation

Eine Lungentransplantation ist grundsätzlich indiziert, wenn bei einem Patienten eine Lungenerkrankung im Endstadium vorliegt, alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind und der Zustand des Patienten eine möglichst vollständige Erholung nach erfolgter Transplantation erwarten lässt.

Die häufigsten Erkrankungen, bei denen eine Lungentransplantation durchgeführt wird, sind das Lungenemphysem einschließlich der chronisch obstruktiven Bronchopneumopathie und dem Alpha-1-Antitrypsinmangel-Emphysem, die Lungenfibrose, die Mukoviszidose und die primäre pulmonale Hypertonie (primärer Lungenhochdruck). Insgesamt seltener werden Lungentransplantationen aber auch bei der Lymphan-gioleiomyomatose, Sarkoidose, Histiozytosis X, Silikose, bei Residualzuständen nach akutem Lungenversagen (ARDS) oder bei toxisch induzierten Lungenschäden (z.B. nach Chemotherapie) durchgeführt. Die Wahl des Transplantationsverfahrens - Einzellungen-Doppellungen- oder Herz-Lungen-Transplantation - hängt dabei wesentlich von der zu Grunde liegenden Erkrankung und den ggf. bereits eingetretenen Komplikationen (z.B. häufige Infekte mit Problemkeimen) ab (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1:
Indikationsbegründende Erkrankungen Einzellungentransplantation
• Lungenfibrose
• Chronisch obstruktive Bronchopneumopathie (COBP)
• Lungenhochdruck (ausgewählte Fälle)

Doppellungentransplantation
• Mukoviszidose
• Bronchiektasie (z.B. Kartagener-Syndrom)
• Chronisch obstruktive Bronchopenumopathie (COBP)
• Lungenhochdruck (ausgewählte Fälle)

Herz-Lungentransplantation
• Eisenmenger Syndrom
• Lungenerkrankung mit zusätzlicher Herzerkrankung
• Lungenhochdruck (ausgewählte Fälle)

Dabei unterscheidet sich die Einzellungen-Transplantation im funktionellen Endergebnis nur wenig von der Doppellungen-Transplantation, bietet aber den Vorteil des kleineren operativen Eingriffs, der in der Regel ohne den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden kann und der auch bei älteren Patienten von 55-60 Jahren (in ausgewählten Fällen maximal bis 65 Jahren) durchgeführt werden kann. Typische Indikationen für eine Einzellungen-Transplantation sind daher das Lungenemphysem oder die Lungenfibrose. Dem gegenüberstellt die Doppellungen-Transplantation einen deutlich größeren operativen Eingriff dar, der bei sequentiellem Vorgehen allerdings auch ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden kann. Wegen der größeren Belastung wird dieser Eingriff bei den jüngeren Patienten bis maximal 55 Jahren (in ausgewählten Fällen bis 60 Jahren) bevorzugt, wobei insbesondere chronische Infekte der Lunge, wie sie typischer Weise bei der Mukoviszidose vorliegen, zwingend eine Doppellungen-Transplantation erfordern, weil bei Transplantation nur einer Lunge eine Infektion des Transplantats unvermeidlich wäre. Die Herz-Lungen-Transplantation hat in den letzten Jahren an Bedeutung zu Gunsten der isolierten Lungentransplantation verloren und erfolgt heute im Wesentlichen bei angeborenen Herzfehlern mit sekundärer Schädigung des Lungenkreislaufes (Eisenmenger Syndrom), bei denen eine Korrektur des Herzfehlers nicht möglich ist oder bei schwerer Lungenerkrankungen mit zusätzlicher, unabhängig bestehender Herzerkrankung. Wegen des großen operativen Eingriffs, der obligat den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erfordert, werden nur Patienten bis zu einem Alter von 40 Jahren (in ausgewählten Fällen bis zu 45 Jahren) für dieses Verfahren akzeptiert.

Auswahl geeigneter Organempfänger
Für ein erfolgreiches Lungentransplantationsprogramm ist die Auswahl geeigneter Organempfänger von entscheidender Bedeutung. Hierfür wurden internationale Richtlinien erarbeitet, die auch in Deutschland Anwendung finden.

Kriterien für Organempfänger
• Vorliegen einer Lungenerkrankung im Endstadium, die mit Medikamenten nicht weiter gebessert werden kann
• Durch die Lungenerkrankung begrenzte Lebenserwartung
•Alter < 60 Jahre für Einzel-Lungen-Transplantation < 55 Jahre für Doppel-Lungen-Transplantation < 45 Jahre für Herz-Lungen-Transplantation
• Keine Beeinträchtigung anderer Organfunktionen
• Keine aktiven Systemerkrankungen
• Kein Krebsleiden in den letzten 5 Jahren
•Akzeptabler Ernährungszustand (± 30 % vom Idealgewicht)
•Gutes Potential zur Rehabilitation
• GuteCompliance
•Keine Drogen-Abhängigkeit (incl. Alkohol und Nikotin)
• Kortisondosis unter 20 mg pro Tag
• Psychische und soziale Stabilität

Neben dem Vorliegen einer Lungenerkrankung im Endstadium, die durch konservative Maßnahmen nicht mehr gebessert werden kann, und den bereits oben dargestellten Altersgrenzen ist insbesondere die Beurteilung der Lebenserwartung des einzelnen Patienten von entscheidender Bedeutung. Da das Ziel der Lungentransplantation einerseits die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten andererseits aber auch die Verlängerung der Überlebenszeit ist, müssen die zu erwartende Prognose nach erfolgter Lungentransplantation und die damit verbundenen Risiken mit der Prognose der Grunderkrankung abgewogen werden. Zu diesem Zweck sind umfangreiche Untersuchungen erforderlich, wobei insbesondere der Blutgasanalyse, der Lungenfunktion und dem Lungenkreislauf eine entscheidende Bedeutung zukommen. So sind statistische Überlebensraten für Patienten in verschiedenen Stadien der für eine Lungentransplantation indikationsbegründenden Erkrankungen bekannt, die jedoch nur bedingt auf den Einzelfall übertragbar sind. Es muss daher auch immer der individuelle Krankheitsverlauf von eine/n erfahrenen Arzt mit in Betracht gezogen werden. So ist beispielsweise bei angeborenen Herzfehlern die Indikation zur Lungentransplantation oder zur Herz-Lungen-Transplantation mit großer Zurückhaltung zu stellen, weil bekannt ist, dass die Patienten trotz fortgeschrittener Krankheitsstadien oft erstaunlich lange durch eine optimierte konservative Therapie in einem stabilen Zustand gehalten werden können. Andererseits kann aber der richtige Zeitpunkt für eine Lungentransplantation auch verpasst werden, wenn z.B. Folgeschäden an Leber und Niere eine erfolgreiche Transplantation nicht mehr möglich erscheinen lassen. Aus diesem Grund ist es zweckmäßig, potentielle Lungentransplantationskandidaten rechtzeitig in einem Transplantationszentrum vorzustellen, um den optimalen Zeitpunkt für die Listung zur Lungentransplantation von einem erfahrenen Team feststellen zu lassen. Dabei muss die Wartezeit auf der Transplantationsliste mit berücksichtigt werden. Auf Grund der Organknappheit und der in der letzten Zeit eher sinkenden Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung beträgt die mittlere Wartezeit auf eine Lunge derzeit ca. 15 Monate. Andererseits kann im Einzelfall ein Organangebot für einen gelisteten Patienten theoretisch auch am Tag der Listung eingehen, sodass der Patient bereits mit dem Tag der Listung objektiv die erforderlichen Transplantationskriterien erfüllen muss.

Neben den mit der Grunderkrankung und der dadurch bedingten Lebenserwartung des Patienten zusammenhängenden Voraussetzungen sind noch zahlreiche weitere Faktoren vor einer Lungentransplantation zu überprüfen (siehe Tabelle 2). Vor Allem dürfen keine wesentlichen Beeinträchtigungen anderer Organe vorliegen - dies betrifft insbesondere das Herz, die Nieren und die Leber. Bedeutende Funktionseinschränkungen dieser Organsysteme stellen dem entsprechend eine Kontraindikation zur Lungentransplantation dar. Auch eine schwere Osteoporose und die vollständige Immobilisierung eines Patienten können einer erfolgreichen Lungentransplantation entgegen stehen. Des Weiteren ist der Ernährungszustand des Patienten von Bedeutung, er darf nicht mehr als 30 % vom Idealgewicht nach oben oder unten abweichen, da bekannt ist, dass bei schwerer Adipositas wie auch bei Unterernährung die Sterblichkeit nach Lungentransplantation erheblich ansteigt. Insgesamt muss der Zustand und die Verfassung des Patienten eine vollständige Rehabilitation nach erfolgreicher Lungentransplantation grundsätzlich ermöglichen. Ein besonderes Maß an Zuverlässigkeit hinsichtlich der Einnahme von Medikamenten und der Befolgung von ärztlichen Anweisungen muss von Lungentransplantationskandidaten gefordert werden. Vor Allem nach einer Lungentransplantation muss der Patient zum Teil komplizierte Therapieschemata zuverlässig durchführen, um Abstoßungsreaktionen oder Infektionen zu verhindern. Die sogenannte "Compliance" des Patienten stellt daher eine wichtige Voraussetzung für die Eignung zur Lungentransplantation dar. Erfahrungsgemäß kann es auch nach einer erfolgreichen Lungentransplantation Phasen von Komplikationen und Problemen geben, die der Patient oft nur mit Hilfe von Angehörigen oder Partnern durchstehen kann. Daher ist ein stabiler psychosozialer Hintergrund eine weitere Voraussetzung für die Durchführung einer Lungentransplantation.

Kontraindikationen zur Lungentransplantation
Wie bei jedem anderen Therapieverfahren ist die Beachtung von Kontraindikationen für eine erfolgreiche Lungentransplantation unerlässlich, auch wenn die Ablehnung im Einzelfall vom Patienten als besondere Härte empfunden werden kann. Das Transplantationsteam steht dabei aber in einer doppelten Verantwortung, weil eine aus vorab erkennbaren Gründen nicht erfolgversprechende Lungentransplantation sowohl das Leben des betroffenen Patienten verkürzt als auch ein Organ verbraucht, das für die Transplantation eines anderen, möglicherweise prognostisch günstiger zu bewertende Patienten nicht mehr zur Verfügung steht. Das Transplantationsteam steht insofern auch in der Verantwortung einer möglichst optimalen Nutzung des begrenzten Organangebots. Neben den bereits oben angeführten Funktionsstörungen lebenswichtiger Organe außer der Lunge - Herz, Niere, Leber - sind es vor allem chronische Virusinfektionen wie die HIV-Infektion, die chronisch aktive Hepatitis B und Hepatitis C sowie Tumorleiden, die als Kontraindikationen für eine Lungentransplantation gelten.

Das Vorliegen von Systemerkrankungen wie Kollagenosen (z.B. Rheuma), Vaskulitiden (=Gefäßentzündung) oder auch eines Diabetes mellitus (=Zuckerkrankheit) stellt nach heutiger Auffassung keine absolute Kontraindikation dar, allerdings dürfen auch hier keine relevanten zusätzlichen Organschäden durch diese Systemerkrankung nachweisbar oder kurzfristig zu erwarten sein. Mehr noch als bei den anderen Indikationen ist die individuelle Ausprägung des Krankheitsbildes hier von entscheidender Bedeutung.

Listung und Wartezeit
Ist die Entscheidung zur Lungentransplantation getroffen, so erfolgt die Listung des Patienten im europäischen Transplantationszentrum Eurotransplant in Leyden, welches im Weiteren über die Organvergabe entscheidet.
Für die Zuteilung eines Organs sind im Wesentlichen 3 Kriterien entscheidend:
1. die Blutgruppe
2. die für den Brustkorb des Patienten passende Organgröße
3. die Wartezeit des Patienten

Wie bereits oben erwähnt beträgt die mittlere Wartezeit auf Grund der Organknappheit derzeit ca. 15 Monate
Während dieser Zeit ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Patient regelmäßig im Transplantationszentrum nachuntersucht wird, um festzustellen, ob die Transplantabilität weiterhin gegeben ist. Auch ist die Kooperation zwischen Patient, Hausarzt und Transplantationszentrum bereits in dieser Phase von großer Bedeutung,.da z. B. bei akuten Infekten vorübergehend eine Pausierung der aktiven Listung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass infektiöse Patienten ein Organangebot erhalten, welches dann nicht zur Transplantation genutzt werden könnte, weil durch die Immunsuppression zu Beginn der Transplantation die Gefahr einer akuten Allgemeininfektion (=Sepsis) bestehen würde. Auf Grund der Schwere der vorliegenden Grunderkrankungen und der Wartezeit versterben ca. 30 % der Patienten auf der Warteliste.

Operatives Vorgehen
Die Wahl des operativem Vorgehens - Einzellungen-, Doppellungen- oder Herz-Lungen-Transplantation - hängt im Wesentlichen von der Grunderkrankung ab (siehe oben). Bei der einseitigen Lungentransplantation wird bevorzugt die schlechtere Lunge ausgetauscht, um ein optimales Transplantationsergebnis zu erzielen. Über eine posterolaterale Thorakotomie wird die Brusthöhle zwischen den Rippen eröffnet, die zu transplantierende Lunge reseziert und das Lungentransplantat wieder implantiert. Dabei werden durch Spezialnähte die Hauptbronchien, die Lungenvenen und die Lungenarterien wieder verbunden. Der Zugangsweg für die Doppellungen-Transplantation erfolgt dem gegenüber in der Regel über eine vordere quere Thorakotomie in Höhe des unteren Brustbeins und die Herz-Lungen-Transplantation wird über eine Längsspaltung des Brustbeins (so genannte mediane Sternotomie) durchgeführt.

Nachsorge
Mit der Lungentransplantation ändert sich die Situation des Patienten grundlegend. Er wird von einem lungenkranken Patienten zu einem lungentransplantierten Patienten und bedarf einer lückenlosen Nachbetreuung, um ein möglichst optimales Langzeitergebnis nach der Transplantation zu erzielen.

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Lungentransplantation keine Heilung, sondern eine Therapiemaßnahme mit entsprechenden Nebenwirkungen und Gefahren darstellt. Bereits zu Beginn der Operation erfolgt eine immunsuppressive Behandlung, um die körpereigene Abwehr zu unterdrücken und so eine Abstoßungsreaktion bei Einpflanzung des fremden Organs zu verhindern.
Hierfür werden 5 verschiedene Medikamente in unterschiedlichen Dreierkombinationen eingesetzt:
Cyclosporin A (z.B. Sandimmun)
oder Tacrolimus (Prograf) + Azathioprin (z.B. Imurek)
oder Mycophenolatmophetil (Cellcept) + Prednisolon (z.B. Decortin H).

Die jeweilige Dreierkombination wird in der Regel lebenslang beibehalten, wobei die Steroiddosis im Langzeitverlauf auf niedrige Werte von etwa 5 mg/Tag reduziert werden kann, während die übrigen Immunsuppressiva in etwa gleichbleibender Dosis beibehalten werden. Neben der Verminderung der Immunabwehr des Organismus haben diese Medikamente Nebenwirkungen, die insbesondere in einer Blutdrucksteigerung, einem Diabetes mellitus, einer Leber- oder Nierenschädigung oder auch einer Schädigung des Knochenmarks liegen können. Um eine optimale Immunsuppression zu gewährleisten und mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden oder wenigstens auf ein Mindestmaß zu begrenzen, ist die richtige Dosierung der Medikamente durch regelmäßige Spiegelkontrollen zu überprüfen, wobei die Intensität der Überwachung mit zunehmendem Abstand von der Transplantation gelockert werden kann. Innerhalb der ersten 3 Monate nach der Transplantation gelingt es den meisten Patienten wieder, ein weitgehend normales, geregeltes Leben zu führen.

Am Ende des ersten Jahres nach der Transplantation lässt sich in der Regel der Erfolg der Maßnahme auch im Hinblick auf die zu erwartende Langzeitprognose gut beurteilen.

Komplikationen
Die wichtigsten Komplikationen nach einer Lungentransplantation sind einerseits die Abstoßungsreaktion und andererseits die Infektion. Da sich beide Krankheitszustände klinisch in ähnlicher Weise darstellen können - Fieber, Luftnot, Leistungsminderung - sie aber gegensätzliche Behandlungen zur Folge haben, ist die Unterscheidung zwischen dem Vorliegen einer Abstoßung oder einer Infektion von größter Bedeutung. Hierfür ist häufig die Durchführung einer Bronchoskopie mit Bronchoalveolärer Lavage ("Lungenspülung") und transbronchialer Lungenbiopsie erforderlich.

Während akute Abstoßungsreaktionen vor Allem in der Frühphase nach der Transplantation beobachtet werden, ist die schwerwiegendste Langzeitkomplikation die so genannte chronische Abstoßung, die sich als "Bronchiolitis obliterans" manifestiert und zu einem mehr oder weniger schnellen Verfall der Transplantatfunktion führt. Im Langzeitverlauf der Patienten ist es diese chronische Abstoßungsreaktion, die in etwa 50-60 % der Fälle nachweisbar ist und die wieder in Ateminsuffizienz mit Sauerstoff-pflichtigkeit enden kann. Die durchschnittliche Überlebensrate nach einer Lungentransplantation beträgt nach einem Jahr 70-80 % und sinkt auf ca. 50 % nach 5 Jahren . Im Verlauf der letzten Jahre konnten die Ergebnisse jedoch verbessert werden . Sowohl durch die Einführung neuer Medikamente zur Immunsuppression als auch durch die aktive Forschung auf dem Gebiet der Lungentransplantation ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren weitere Fortschritte erzielt werden können.

© Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland
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