Einleitung
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) gehört zu den Volkskrankheiten in Deutschland und den westlichen Industrieländern und ist weltweit die dritthäufigste Todesursache. Sie führt häufig zu einer erheblichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität der betroffenen Patienten und nicht selten zu Arbeitsausfall und Frühverrentung.
Dieser enormen klinischen und sozioökonomischen Bedeutung der COPD steht ein eher beschränktes therapeutisches Arsenal gegenüber. So kann mit medikamentösen und physikalisch-medizinischen Mitteln oft nur eine unzureichende Symptomlinderung erzielt werden. Dementsprechend wurde als weiteres therapeutisches Verfahren die Lungenvolumenreduktion zunächst als chirurgischer Eingriff eingeführt. In den USA wurde zur Wirksamkeit und den Risiken dieses chirurgischen Eingriffs eine nationale Studie, die sog. „National Emphysema Treatment Trial“ (NETT) durchgeführt, mit der an 1218 Patienten Wirksamkeit und Risiko der chirurgischen Lungenvolumenreduktion im Vergleich zur rein medikamentös/konservativen Therapie untersucht wurde. Für die chirurgische Emphysemtherapie stellte sich hierbei rasch heraus, dass Patienten mit sehr niedriger Sekundenkapazität (FEV1) und stark eingeschränkter Diffusionskapazität (jeweils <20 % des Sollwertes) ein sehr hohes Risiko aufweisen und daher für das Verfahren ungeeignet sind. Der größte Nutzen war für Patienten mit oberlappenbetontem Emphysem und schlechter Belastbarkeit festzustellen. Selbst in dieser Gruppe war aber ein Großteil der Patienten wegen zusätzlicher Erkrankungen (Co-Morbiditäten) für das chirurgische Verfahren nicht geeignet, und ein Überlebensvorteil konnte nur für eine Subgruppe im Langzeitverlauf nachgewiesen werden. Infolge dieser relativ ernüchternden Ergebnisse hat die chirurgische Lungenvolumenreduktion in den Jahren stark an Bedeutung verloren. Da andererseits das Prinzip der Lungenvolumenreduktion bei COPD durchaus wirksam ist, deren Effekt aber durch die Folgen und Komplikationen des operativen Eingriffs überlagert wird, war es logisch und konsequent, nicht-invasive Verfahren der Lungenvolumenreduktion zu entwickeln. Wie bei der chirurgischen Lungenvolumenreduktion besteht das Wirkprinzip darin, überblähte Lungenanteile zu veröden und dadurch Platz zu schaffen für die weniger stark geschädigten Lungenareale. Dies führt einerseits zu einer Verbesserung der Ökonomie der Atemmuskulatur andererseits zu einer erhöhten elastischen Vorspannung der Lunge („face-lifting“ der Lunge) und damit zu einer verbesserten Atemphysiologie.
Zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion wurden in den letzten Jahren verschiedene Methoden entwickelt und in klinischen Studien erprobt.
Das Ventilverfahren
Bei dem sog. Ventilverfahren werden typischerweise 2 - 3 Ventile in die Segmentbronchien der Oberlappen implantiert, die Luft aus der Lunge herauslassen, aber keine Luft in die Lunge hineinlassen. Hierdurch wird das überblähte Lungenareal entlüftet und kollabiert schließlich (= Atelektase). Wenn dies erreicht wird, kommt es tatsächlich zu einer Verbesserung der Lungenfunktionswerte und zu einer Abnahme der Atemnot des Patienten. In vielen Fällen gelingt es jedoch nicht, durch die Ventile tatsächlich eine effektive und vollständige Atelektase des abhängigen Lungenareals zu erzeugen, weil Luft aus anderen Lappen über Kurzschlussverbindungen in das behandelte Lungenareal übertritt (sog. Kollateralventilation). Durch entsprechende Voruntersuchungen kann zwar herausgefunden werden, welcher Patient sich für dieses System am besten eignet, eine wirksame Anwendung des Systems ist aber auf eine Minderheit der Patienten begrenzt.
Vaporisierung des Lungengewebes
Bei diesem System wird über einen speziellen Katheter in das Zielsegment des Oberlappens heißer Wasserdampf eingeleitet und dadurch das Lungengewebe zerstört. In der Folge bildet sich eine Narbe aus, die zur Schrumpfung des Oberlappens und zu den gewünschten Effekten auf Lungenfunktion und Belastbarkeit führen soll. Tatsächlich konnte auch diese Methode bei Patienten mit COPD bereits erfolgreich eingesetzt werden. Die Anwendbarkeit ist bisher auf Patienten mit oberlappenbetontem inhomogenem Lungenemphysem beschränkt.
Hydrogelinstillation
Bei diesem Verfahren wird ein Hydrogelschaum in das Zielsegment der Lunge bronchoskopisch instilliert und führt dort ebenfalls zu einer Narbenbildung und Schrumpfung des Zielsegments mit den erwünschten Auswirkungen auf Lungenfunktion und klinische Symptomatik. Dieses Verfahren wurde bisher sowohl bei oberlappenbetontem (inhomogenem) als auch bei homogenem Lungenemphysem erfolgreich eingesetzt und wird in seiner Wirksamkeit durch die sog. Kollateralventilation nicht beeinträchtigt. Nachteil der Polymerinstillation ist eine z.T. relativ heftige Entzündungsreaktion, die sich in den meisten Fällen in den ersten 3-5 Tagen nach der Instillation ausbildet und mit Antibiotika und Kortison behandelt werden muss.
Implantierbare Drahtspiralen
Bei diesem Verfahren werden Nitinoldrähte in die emphysematös überblähten Lungenareale eingebracht, die sich bei Raumtemperatur spiralförmig einrollen und dadurch das umgebende Lungengewebe raffen. Bei diesem System wird der gewünschte Therapieeffekt somit auf mechanischem Weg erzielt. Im Vergleich zu den anderen Verfahren ist die Gefahr der Pneumothoraxbildung stärker ausgeprägt. Ein theoretischer Vorteil ist die Möglichkeit, die Drähte wieder aus der Lunge zu entfernen, wenn der gewünschte Effekt sich nicht einstellt
Atemwegbypass
Bei diesem Verfahren wird durch einen medikamentenfreisetzenden Stent eine zusätzliche Öffnung in die Bronchialwand eingebracht, durch die gefangene Luft aus den überblähten Arealen austreten kann. Nachteil des Verfahrens ist die Gefahr der Blutung, da bei Einbringung des Stents die Bronchialwand zunächst punktiert und durchstochen werden muss, so dass hier eine Verletzungsgefahr gegeben ist.
Für alle fünf Verfahren wurden Untersuchungen durchgeführt, die eine gewisse Wirksamkeit belegen. Die Vor- und Nachteile der Verfahren sind gegeneinander abzuwägen und im Einzelfall muss das geeignete Verfahren für den Patienten herausgesucht werden. Hierzu bedarf es einer erheblichen Erfahrung des Untersuchers und des behandelnden Arztes und auch der Patient muss umfassend über Vor- und Nachteile des für ihn zur Verfügung stehenden Verfahrens aufgeklärt sein. Auch für die bronchoskopische Lungenreduktion gilt, dass Patienten mit weit fortgeschrittener COPD, insbesondere mit einer Sekundenkapazität (FEV1) <20 % des Sollwertes und einer Diffusionskapazität <20 % des Sollwertes in der Regel nicht geeignet sind. Optimale Patienten sind im Stadium GOLD III (Sekundenkapazität (FEV1) 30-50 % des Sollwertes), sie sollten auch noch mobil sein und aktiv am Alltag teilnehmen. Entsprechende Patienten sollten sich vertrauensvoll an ein pneumologisches Zentrum in ihrer Nähe wenden und sich über die Möglichkeiten der bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion vor Ort informieren lassen. Da es sich bei den oben aufgeführten Interventionen um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden handelt (sog. NUB) können nur spezialisierte Kliniken diese Leistungen anbieten und gegenüber den Krankenkassen abrechnen, weshalb es örtlich zu unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten kommt, über die sich der Patient informieren sollte. Entscheidend ist auch, dass vor einer bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion alle medikamentösen und konservativen Therapiemaßnahmen einschließlich der pulmonalen Rehabilitation ausgeschöpft sein sollten. Auch ein fortgesetzter Zigarettenkonsum stellt eine Kontraindikation dar.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit den Möglichkeiten der bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion eine sinnvolle Erweiterung der Behandlungsverfahren für COPD-Patienten zur Verfügung steht, die sich in der Hand des Erfahrenen zum Vorteil des Patienten einsetzen lässt. Von entscheidender Bedeutung sind die Auswahl des Patienten, des zu ihm passenden Verfahrens und eine umfassende und realistische Aufklärung über die möglichen Vorteile und eventuellen Nebenwirkungen.
Quelle: Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Behr, Bochum, Direktor der Medizinischen Klinik III für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, auf dem 5. Symposium Lunge am Samstag, den 09. Juni 2012 von 9:00-18:00 Uhr in Hattingen (NRW)
© Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland
Der Abdruck bzw. die Weiterverwertung dieses Artikels oder Teilen daraus in Print/Onlinemedien bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung der Patientenorganisation Lungenemphysem-COPD Deutschland und sind nur mit der oben genannten Quellangabe gestattet.