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Zuletzt angepasst am 24.04.2024

Medizinische Voraussetzungen zur Verordnung der Langzeit-Sauerstofftherapie und korrekte Umsetzung der Therapie durch den Patienten

Sauerstoffmangel

Schwere Lungenerkrankungen wie die COPD können zu einem dauerhaft erniedrigten Sauerstoffgehalt des Blutes führen. Die Sauerstoffunterversorgung schränkt als Folge die körperliche Leistungsfähigkeit der Patienten ein, die über Luftnot bei geringster Belastung oder sogar in Ruhe sowie allgemeine Schwäche und schnelle Erschöpfbarkeit klagen.

Durch den erniedrigten Sauerstoffgehalt des Blutes kommt es im Lungenkreislauf (sog. kleiner Kreislauf) zu einer Erhöhung des Lungenblutdrucks, der wiederum zu einer vermehrten Belastung der rechten Herzkammer führt. Diese wird auf Dauer überlastet und zunehmend schwächer, es entsteht eine Rechtsherzschwäche (Rechtsherzinsuffizienz). Sie ist z. B. an Ödemen (Gewebswasseransammlungen) im gesamten Körper, vor allem im Bereich der Fußknöchel zu erkennen. Zusätzlich kann der Sauerstoffmangel, ähnlich wie bei einem Höhenaufenthalt zu einer Vermehrung der roten Blutkörperchen führen, was zunächst grundsätzlich positiv wäre. Ab einer gewissen Menge von roten Blutkörperchen verändern sich aber die Fließeigenschaften des Blutes so sehr, dass dieses einen zusätzlichen Krankheitswert bekommt. Die künstliche Erhöhung der Sauerstoffkonzentration durch die Langzeit-Sauerstofftherapie kann diese Entwicklungen im Körper verhindern oder zumindest aufhalten.

Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT)

Unter Langzeit-Sauerstofftherapie (engl.: long term oxygen therapy, LTOT) versteht man die dauerhafte Gabe von Sauerstoff über mindestens 16 Stunden. Sie führt bei geeigneten Patienten zu einer Verbesserung der Lebensqualität und der überlebensdauer. Eine LTOT wird bei allen Krankheiten angewandt, die einen Sauerstoffmangel haben. Dieses sind vor allem chronische Lungen- und Herzerkrankungen, aber auch Störungen der Atmung im Schlaf. Zur Messung der Sauerstoffversorgung des Körpers wird eine Bestimmung der Sauerstoffwerte im Blut vorgenommen. Diese Bestimmungsmethode heißt Blutgasanalyse. Bevor eine LTOT eingesetzt wird, müssen die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie der zu Grunde liegenden Erkrankung ausgeschöpft worden sein. Auch muss sich der Patient in einer stabilen Phase seiner Erkrankung befinden. Daher sollte die Entscheidung zu einer LTOT möglichst in Zusammenarbeit mit dem niedergelassenen Pneumologen erfolgen, da während einer akuten Exazerbation der Erkrankung hierüber manchmal noch keine endgültige Aussage gemacht werden kann. Mit der Blutgasanalyse wird u. a. der sog. arterielle Sauerstoff-Partialdruck (PaO2) gemessen. Eine sichere Begründung für eine LTOT liegt dann vor, wenn der PaO2 bei mehrfacher Messung unter einem Wert von 55 mm Hg liegt. Wenn aber schon ein erhöhter Lungen-Blutdruck oder eine krankhafte Vermehrung der roten Blutkörperchen vorhanden ist, wird eine LTOT auch schon unter einem Wert von 60 mm Hg verordnet. Ob bei einem Betroffenen auch eine Sauerstoffgabe unter Belastung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Patient einen krankhaften Abfall des PaO2-Wertes unter Belastung aufweist (Abfall um mehr als 5 mm Hg in den auffälligen Sauerstoffbereich) oder aber sich die 6-Minuten-Gehstrecke unter Sauerstoffanwendung erheblich verbessert. Die Sauerstoffgabe unter Belastung muss dann bei der Geräteauswahl berücksichtigt werden. Schließlich werden auch die Sauerstoffwerte im Schlaf bei der Festlegung einer Sauerstofftherapie berücksichtigt, wobei dann auch eine nächtliche Messung der Sauerstoff- und Kohlendioxidwerte, evtl. sogar eine Schlaflaboruntersuchung erforderlich ist. In jedem Fall muss in den verschiedenen Situationen (Ruhezustand, Belastung, Schlaf) eine Sauerstoff-Testatmung durchgeführt werden, an Hand derer dann die individuell jeweils erforderliche Sauerstoffdosis, die sog. Sauerstoff-Flussrate, festgelegt werden kann.

Durchführung der LTOT

Es gibt verschiedene Geräte zur Durchführung einer LTOT zu Hause. Das einfachste Gerät ist der Sauerstoffkonzentrator. Dieser produziert selbstständig Sauerstoff aus der Raumluft. Da der Standard-Sauerstoffkonzentrator groß und schwer ist, kann er nur die Sauerstoffversorgung in Ruhe gewährleisten. Patienten, die ihre Wohnung verlassen können, benötigen daher sog. mobile Systeme. Hier stehen kleinere, transportable Druckgasflaschen zur Ergänzung der Therapie mit dem Sauerstoffkonzentrator zur Verfügung. Diese Sauerstoffflaschen werden aber nur noch sehr selten verordnet. Die bessere Alternative zu der Kombination aus Sauerstoffkonzentrator und Druckgasflasche ist ein Flüssigsauerstoffsystem. Dieses besteht aus einem größeren Tank, in dem sich stark abgekühlter und somit flüssiger Sauerstoff befindet, und einer mobilen, tragbaren Flasche, die an dem großen Tank beliebig häufig aufgeladen werden kann. Der Sauerstofftank muss ca. alle zwei Wochen gefüllt oder gewechselt werden. Welches System sich für den betreffenden Patienten am besten eignet, muss individuell entschieden werden. Als weitere mobile Geräte stehen heute auch kleine tragbare, Akku-betriebene Sauerstoffkonzentratoren zur Verfügung, die allerdings derzeitig noch sehr teuer sind und deren Kosten nur von einzelnen Kostenträgern übernommen werden.
Neben den eigentlichen Sauerstoffgeräten ist die Art der Übertragung des Sauerstoffs zum Patienten noch von Wichtigkeit. Hierbei stellt die sog. Nasensonde- oder -brille die Standardversorgung dar. Auch stehen Mund-Nasen-Masken zur Verfügung, wenn der Betroffene eine stark behinderte Nasenatmung hat und/oder ausgeprägter Mundatmer ist. Kosmetisch günstiger können auch Sauerstoffzuleitungen sein, die in ein Brillengestell integriert sind. In einzelnen Fällen kommt auch die sog. transtracheale Sauerstoffgabe über einen kleinen Dauerkatheter, der in die Luftröhre eingebracht wird, in Frage.

Nebenwirkungen der LTOT

Sauerstoff ist ein Medikament. Deswegen muss es auch individuell vom Arzt verordnet und dosiert werden. Mögliche Nebenwirkungen sind zwar bei korrekter Anwendung gering, können aber auftreten. Es kann so z. B. bei höheren Sauerstoff-Flussraten zu einer Austrocknung der Nasenschleimhäute kommen. Dieser Nebenwirkung kann durch Anwendung eines Atemluftbefeuchters und zusätzliche Pflege der Schleimhäute mit Nasensalben entgegengewirkt werden. Der Atemluftbefeuchter wiederum birgt bei fehlender Hygiene die Gefahr einer Besiedlung mit Bakterien und Pilzen, die eine Infektionsquelle für die Atemwege des Patienten darstellen können. Wird die Sauerstoff-Flussrate zu hoch gewählt, kann es zu einer Hemmung der Atmung des Betroffenen mit Erhöhung des Kohlendioxid-Wertes im Blut und hieraus folgender Narkose-ähnlicher Wirkung kommen. Deswegen muss die vom Arzt festgelegte Sauerstoffmenge auch stets wie bei einem Medikament eingehalten werden. Schließlich muss bedacht werden, dass Sauerstoff Feuer jeglicher Art erheblich anfachen kann. Deswegen kann die Benutzung von offenem Feuer oder Brand in der Nähe von Sauerstoff nicht nur lebensgefährlich für den Betroffenen, sondern auch seine Umgebung sein.
Die vielfach vom Patienten angenommene Sorge, man könne sich zu früh vom Sauerstoff abhängig machen und müsse daher die Sauerstofftherapie möglichst selten anwenden, ist allerdings unbegründet und sogar falsch. Bestehen die Voraussetzungen für eine Sauerstofftherapie, so kann sie gar nicht häufig genug in der richtigen Dosierung angewandt werden.

Therapeutischer Nutzen und Therapietreue

Bei verordnungsgemäßer regelmäßiger Anwendung der Langzeit-Sauerstofftherapie wird die Mobilität des Patienten verbessert, woraus wiederum eine Steigerung der Lebensqualität erreicht wird. Ebenfalls bewirkt die Therapie eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit. Schließlich wird das rechte Herz wirksam entlastet, wodurch eine Lebensverlängerung eintritt.
Leider benutzen aber nur ca. die Hälfte der Patienten den Sauerstoff wie verordnet! Die Gründe für diese Therapie-Untreue (“Non-Compliance”) sind vielfältig.
Manche Patienten empfinden subjektiv keinen Nutzen oder ihnen ist die Behandlung zu unpraktisch. Nicht wenige haben Angst vor einer Gewöhnung. Bei manchen Patienten stehen Nebenwirkungen wie die Reizung der Schleimhäute im Vordergrund. Bei vielen Patienten besteht aber auch zunächst ein Schamgefühl wegen der nach außen sichtbaren Behinderung. All diese Gründe müssen vom behandelnden Arzt bereits bei der Verordnung angesprochen und auch — soweit möglich — gelöst werden. Nur so kann sich der volle gesundheitliche Nutzen der Langzeit-Sauerstofftherapie entfalten.

9. Symposium - Lunge/Hattingen
Prof. Dr. med. Kurt Rasche
HELIOS Klinikum Wuppertal

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