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Zuletzt angepasst am 28.05.2024

Cortison – Teufelszeug oder Wundermittel?

Die Verabreichung von Cortison löst bei Patienten oft Skepsis und Sorge aus.

Bedenken bestehen insbesondere in Bezug auf mögliche Nebenwirkungen. Gleichzeitig ist Cortison jedoch das wirksamste Medikament gegen Entzündungen und wird bei vielen Erkrankungen wie z.B. den Atemwegserkrankungen Asthma bronchiale oder COPD sehr erfolgreich eingesetzt.

"Cortison – Teufelszeug oder Wundermittel?" drückt genau die Unsicherheit aus, die allgemein im Zusammenhang mit Cortison besteht. Am besten begegnen können Sie der Unsicherheit durch Information. Sie selbst können mit verschiedenen Maßnahmen und Verhaltensregeln dazu beitragen, dass der Einsatz von Cortison optimal und mit möglichst wenigen Nebenwirkungen verläuft. Das Ziel einer jeden Cortison-Therapie ist es, mit einem individuellen Therapiekonzept und möglichst geringer Dosierung, ein optimales Ergebnis bei geringst möglichen Nebenwirkungen zu erzielen.

Basisinformationen

Körpereigenes Cortison (Cortisol)
Cortison ist ein Hormon, das vom Körper selbst produziert wird (körpereigenes Hormon). Die fachliche Bezeichnung lautet Cortisol bzw. Hydrocortison. Hormone bezeichnet man auch als Botenstoffe, da sie durch das Übertragen von Signalen bestimmte Reaktionen im Stoffwechsel auslösen.

Tagesschwankungen

Die Konzentration des Cortisol-Spiegels unterliegt einem Tag-Nacht-Rhythmus. Zwischen sechs und acht Uhr morgens steigt die Konzentration auf den höchsten Wert an – "um für den Stress des Tages gerüstet zu sein" – und erreicht gegen Mitternacht ihren Tiefpunkt. Der Körper bildet im Ruhezustand pro Tag ca. 20 mg Cortisol, bei Stress sind es ungefähr 200 mg.

Hauptaufgaben des Cortisols

Cortisol ist für die Aufrechterhaltung vieler Funktionen in unserem Körper verantwortlich und daher ein lebenswichtiges Hormon. Seine Hauptaufgaben sind:

  • Erhalt eines ausreichenden Blutzuckerspiegels (Energiehaushalt)
  • Sicherung der Herz-Kreislauf-Funktionen
  • Abbau von Eiweiß (zur Energiegewinnung)
  • Steuerung des Mineral- und Wasserhaushaltes
  • Steuerung des Immunsystems

Ende der 30er Jahre konnte Cortisol als ein Extrakt aus der Nebennierenrinde hergestellt werden. Hierdurch konnte vor allem Patienten geholfen werden, deren Nebennierenrinde kein Cortisol ausschüttet.
1948 wurde erstmals einer schwerkranken Rheuma-Patientin versuchsweise Cortison verabreicht. Die Therapie war bereits nach drei Tagen so erfolgreich, dass die Patientin sich bewegen konnte und schmerzfrei war.

Aufgrund dessen sowie weiterer Therapieerfolge wurde in den folgenden Jahren bei fast allen entzündlichen Erkrankungen Cortison eingesetzt. Leider stellte sich jedoch heraus, dass Cortison nicht nur positive Wirkungen sondern auch negative Wirkungen verursachte. Diese Nebenwirkungen ließen aus dem gefeierten "Wundermittel" ein gefürchtetes "Teufelszeug" werden. In den kommenden Jahrzehnten wurde intensiv weiter geforscht, so dass Cortison nun synthetisch als Arzneimittel hergestellt werden konnte. Die Substanz konnte zudem verändert werden, so dass heute eine Reihe "Cortison-ähnliche" Medikamente zur Verfügung stehen. Dadurch kann die Dosis verringert und verschiedene Darreichungsformen angeboten werden, was die Nebenwirkungen erheblich reduziert. Bis heute hält sich dennoch hartnäckig der einstige Ruf des Cortisons der 50er Jahre. Und dass, obwohl vielfältig nachgewiesen werden konnte, dass Cortison als Arzneimittel Leben retten kann bzw. die Lebensqualität von Patienten entscheidend verbessert.

Wundermittel

Wirkspektrum und Anwendungsbereiche

Cortison als Medikament greift direkt in die Aktivitäten der Lymphozyten, der weißen Blutkörperchen ein, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern spielen. Es bremst die Aktivitäten der Abwehrzellen und Fresszellen. Ebenso führt Cortison zur Verminderung der Neubildung von entzündungsfördernden Botenstoffen und zellschädigenden Enzymen.

Aufgrund dieser Wirkungen auf das Immunsystem und auf Entzündungsreaktionen kann Cortison bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt werden.
Bei dem bereits benannten Beispiel Rheuma, bei dem es zum Umbau der Gelenke - insbesondere Fingergrundgelenke - kommt, was starke Schmerzen verursacht, kann Cortison sowohl die Schmerzen reduzieren sowie die Deformitäten verhindern.

Einige wichtige Anwendungsbereiche von Cortison:

  • Rheuma, chronische Polyarthritis
  • Vaskulitiden (entzündliche Erkrankungen der Blutgefäße wie z.B. Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen)
  • Krebserkrankungen
  • Nierenerkrankungen
  • Chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
  • Lebererkrankungen
  • Allergien
  • Hauterkrankungen
  • Neurologische Erkrankungen
  • Multiple Sklerose
  • Organverpflanzungen (zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen)
  • Notfallmedikament bei lebensgefährlichem Kreislaufschock (z.B. allergischer Schock, Sepsis)

Als Arzneimittel kann Cortison, die derzeit am stärksten antientzündliche Substanzgruppe, eingesetzt werden:

  • gegen Über- und Fehlreaktionen des Immunsystems
  • gegen Entzündungen und Schwellungen
  • bei Cortison-Mangelkrankheiten

Cortison wird insbesondere dann eingesetzt, wenn die eigentliche Ursache der Entzündung nicht – oder noch nicht – gefunden wurde oder diese nicht mit anderen Mitteln bekämpft werden kann.

Teufelszeug

Nebenwirkungen

Ein hochwirksames Medikament ohne Nebenwirkung gibt es nicht. Cortison ist ein hochwirksames Medikament, das neben den erwünschten, positiven Wirkungen auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann.
Wird Cortison in übernormalen (unphysiologischen) Mengen dem Körper zugeführt, was durch die medikamentöse Gabe der Fall ist, kann dies Nebenwirkungen mit sich bringen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Hauptwirkungen des Cortisons stehen (siehe auch Kapitel Basisinformationen).

Die glucocorticoide Wirkung führt zum Anstieg des Blutzuckerspiegels, was zu Diabetes führen kann sowie zum Abbau von Proteinen, was wiederum zu einer Gewebeatrophie (Gewebeschwund) und somit zu einer Muskelschwäche, Osteoporose (Knochenschwund), dünner, sogenannte Pergament-Haut und bei Kindern zu einer Wachstumshemmung führen kann.
Die mineralcorticoide Wirkung führt zu einer Ausschüttung von Elektrolyten über die Niere, was zu einem Anstieg des Blutdrucks führen kann.

Typische Nebenwirkungen bei Cortison sind:

  • Diabetes (aufgrund Blutzuckererhöhung)
  • Blutdruckanstieg (aufgrund Ausscheidung von Elektrolyten)
  • Pergament-Haut, Muskelschwäche, Osteoporose (aufgrund Abbau von Proteinen)
  • Cushing-Syndrom (aufgrund einer Überproduktion von Cortisol bzw. einer Einnahme von Cortison als Medikament) – die Auswirkungen sind z.B. Vollmondgesicht; Fettgewebeansammlung im Nacken; Gewichtszunahme; schlechtere Wundheilung; Hautveränderungen wie rote Wangen; Dehnungsstreifen; Blutergüsse; Steigerung des Augeninnendrucks (Glaukom); Linsentrübung (Grauer Star); Erhöhung des Infektrisikos

Ob bei einer Therapie mit Cortison Nebenwirkungen überhaupt auftreten, hängt von der Darreichungsform ab. Wird die Therapie lokal, also nur begrenzt auf eine Stelle des Körpers angewendet (z.B. als Spray, Salbe), so treten Nebenwirkungen nur sehr selten auf. Wird Cortison systemisch angewendet, d.h. gelangt das Cortison in den Blutkreislauf (z.B. durch Tabletten oder Spritzen) und somit in alle Organe, sind insbesondere die Dosis und die Dauer der Anwendung ausschlaggebend für das Auftreten von Nebenwirkungen.

Wechselwirkungen

Es bestehen verschiedene Wechselwirkungen von Cortison mit anderen Arzneimitteln. Daher sollten Sie immer alle Medikamente, die Sie aktuell einnehmen, vor Beginn einer Cortison-Therapie benennen, um abklären zu lassen, ob hier eine Unverträglichkeit bzw. Wechselwirkung besteht.
Zu erwähnen sei an dieser Stelle die Wechselwirkung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika / Antirheumatika sowie auch Schmerzmitteln, Salicylate (z.B. ASS und Aspirin), da hier im Zusammenwirken ein erhöhtes Risiko von Magen-Darm-Geschwüren und –blutungen besteht.

Die Patienten, bei denen bereits eine Diabetes, eine Herzerkrankung oder Bluthochdruck vorliegt, sollten Ihren Arzt auf eine mögliche Wechselwirkung ansprechen. In Bezug auf Wirkung bzw. Nebenwirkung kann es zu Verstärkungen bzw. Abschwächungen der Wirkstoffe kommen.

Bei der Einnahme von Abführmitteln verstärkt sich der Kalium- und Magnesiumverlust.

COPD / Lungenemphysem

COPD steht für chronisch obstruktive Lungenerkrankung (engl. chronic obstructive pulmonary disease) und ist eine dauerhafte, mit einer Verengung einhergehende Entzündung der Bronchien. COPD und Lungenemphysem (Überblähung des Lungengewebes) treten in vielen Fällen parallel auf, so dass es schwer fällt, sie differenziert zu betrachten.

Glukokortikoide werden in der Behandlung der COPD in großem Umfang eingesetzt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Langzeitanwendung von inhalierbaren Steroiden (Cortison-Steroiden) zu einer Reduktion der Atemwegsentzündung führt. Die Lungenfunktion wird im Gegensatz zum Asthma allenfalls geringfügig verbessert.

Asthma bronchiale

Asthma – die medizinische Bezeichnung lautet Asthma bronchiale - ist eine Entzündung der Atemwege. Die Erkrankung ist chronisch, also dauerhaft, wobei es Zeiträume mit stärkeren, schwächeren und ohne Beschwerden gibt.
Das Ziel der medikamentösen Behandlung liegt in der Bekämpfung der Entzündung und der Verminderung der Überempfindlichkeit der Bronchien (Hyperreagibilität) der Atemwegseinengung.
Bei Asthma ist Cortison das wirkungsstärkste Medikament, da es Entzündungsprozesse verhindern oder Entzündungsreaktionen abschwächen kann. Cortison wird bei Asthma als Langzeitmedikament neben weiteren Bedarfsmedikamenten eingesetzt.

Das sollten Sie wissen und beachten!

Medizinische Aspekte, die Sie wissen sollten:

  • inhalative Therapie: Mund nach der Einnahme spülen, Zähne putzen oder etwas essen
  • hochdosierte Therapie über einen kurzen Zeitraum (z.B. maximal 14 Tage): keine Besonderheiten seitens des Patienten zu beachten
  • Cortison-Langzeittherapie:
  •  Indikation muss stimmen (z.B. ist bei COPD selten eine Langzeittherapie angezeigt)
  • regelmäßige Effektivitätskontrollen durch den behandelnden Arzt
  • regelmäßige Kontrollen der Nebenwirkungen z.B. Blutzucker, Augenarzt, Gewicht
  • Vermeidung Gewichtszunahme z.B. Diät, bei Wassereinlagerungen - Diuretikum (harntreibendes Mittel)
  • niemals Therapie abbrechen ohne Arztkonsultation

 

 

Aspekte des Lebensstils, die Sie beachten sollten:

  • Nicht von anderen negativ wegen einer Cortisontherapie beeinflussen lassen. Vertrauen Sie Ihrem Arzt und der richtigen Indikation!
  • Fit bleiben! Sport treiben (Lungensport), täglich einen Spaziergang
  • Einschränkung von Nikotin und zu viel Alkohol
  • Gesunde Ernährung (Vorsicht Heißhunger)
  • wenig Salz - verwenden Sie pflanzliche Gewürze
  • wenig Fett - verwenden Sie mehrfach ungesättigte Fettsäuren z.B. in Form von Pflanzenfetten
  • wenig süße Speisen / Kalorien - Kohlenhydrate über Getreide, Getreideprodukte - insbesondere Vollkorn - Kartoffeln und Gemüse zuführen
  • mehr Eiweiß - am besten Fisch und magere Milchprodukte, tierisches Eiweiß nur in Maßen
  • mehr Kalzium - z.B. Mager-/Buttermilch
  • mehr Kalium - durch Obst, Bananen, Gemüse, Kartoffeln
  • mehr Vitamine - durch frisches Obst und Salate
  • Osteoporoseprophylaxe: Bewegung, Milchprodukte, grünes Gemüse, ggfs. Kalzium/Vitamin D-Tabletten, unter Umständen Bisphosphonate

Quelle: Prof. Dr. med. Adrian Gillissen, Kassel

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