Die COPD stellt nach heutigen Erkenntnissen eine Systemerkrankung dar. Die ursprünglich von den Bronchien bzw. der Lunge ausgehende chronische Entzündung zieht den gesamten Organismus in Mitleidenschaft.
Darüberhinaus führen die Risikofaktoren für eine COPD, und hier ist insbesondere das Rauchen zu nennen, auch zu einer Schädigung anderer Organe. Dies betrifft in besonderem Maße das Herz-Kreislaufsystem. Demensprechend werden bei COPD häufig, d.h. in etwas mehr als 50 %, unter Herzkreislauferkrankungen leiden. Dazu gehören Herzkranzgefäßveränderungen mit einem bei COPD-Patienten erhöhten Risiko des Herzinfarktes, sowie erhöhte Blutdruckwerte, die ihrerseits wiederum ein Risiko für eine Herzerkrankung darstellen, sei es dass es zu einer Verdickung des Herzmuskels oder wiederum zu Herzkranzgefäßeinengungen kommt. Diese negativen Einflüsse auf das Herz können letztlich eine Herzleistungsschwäche und/oder Herzrhythmusstörungen zur Folge haben. Ebenso werden häufiger Durchblutungsstörungen der Beine mit Schaufensterkrankheit oder Hirndurchblutungsstörungen beobachtet.
Das Herz kann aber auch durch die COPD selbst in Mitleidenschaft gezogen werden, indem es durch Veränderungen an den Lungengefäßen und Sauerstoffmangel zu einer Erhöhung des Blutdrucks in den Lungengefäßen und damit einer Rechtsherzbelastung, einem sog. Cor pulmonale und nachfolgend Beinödemen, kommt. Mitunter bedarf es besonderer Untersuchungen (Spiroergometrie, Rechtsherzkather), um bei Patienten mit Lungen- und Herzerkrankungen die führende Ursache der Luftnot, am Anfang mehr Beschwerden in Form von Belastungsluftnot, herauszufinden.
Weiterhin gibt es Hinweise, dass bei COPD-Patienten das Risiko für Schlaganfälle erhöht ist. Dabei kommt dem Rauchen eine wesentliche Rolle als Risikofaktor zu.
Aber nicht nur das Herz-Kreislaufsystem kann betroffen sein. Durch die chronische Entzündung der Bronchien kann die Abwehrfunktion des Atemwegssystems beeinträchtigt sein, sodass häufiger Atemwegsinfekte auftreten. Darüberhinaus sehen wir aber auch Patienten, die bei häufigen Atemwegsinfekten einen Mangel an Abwehrstoffen, sog. Immunglobulinen aufweisen. Hier kann eine in regelmäßigen Abständen stattfindende Gabe von Immunglobulinen zu einer Abnahme der Häufigkeit und Schwere der Infekte beitragen.
Die durch die chronische Luftnot bedingte Abnahme der körperlichen Aktivität, mitunter begünstigt auch durch die Gabe von Kortison, speziell bei häufigen Exazerbationen einer COPD oder einer begleitenden asthmoiden Komponente der COPD, kann zu Muskelschwäche und Osteoporose führen. Letztere ist mit dem Risiko von Knochenbrüchen verbunden. Treten diese an der Wirbelsäule i.S. von osteoporotischen Sinterungen oder an den Rippen – als Folge von Hustenbrüchen - auf, kann dies neben schmerzhafter Einschränkung der Atmung und auch eine Abnahme der Körpergröße zur Folge haben. Eine Höhenminderung speziell im Bereich der Brustwirbelsäule verändert die Form des Brustkorbs und verschlechtert damit den Wirkungsgrad der Atemmuskulatur, sowohl des Zwerchfells als auch der Atemhilfsmuskulatur. Hierdurch kann sich die Luftnot und entsprechend auch die Lungenfunktion verschlechtern.
Eine weitere Erkrankung, die häufiger bei COPD-Patienten beobachtet wird, ist die obstruktive Schlafapnoe, dann spricht man von einem „Overlap-Syndrom“. Die Schlafapnoe führt im Nachtschlaf zu wiederholten Einengungen des Rachenbereichs, so dass in diesen Phasen weniger oder gar keine Luft und folglich auch weniger oder kein Sauerstoff in die Lunge und nachfolgend in das Blut gelangt. Dadurch werden Organe wie das Herz und das Gehirn phasenweise schlechter mit Sauerstoff versorgt. Weiterhin gibt es Hinweise, dass die Schlafapnoe durch eine Entzündungssteigerung in den Atemwegen die COPD ungünstig beeinflussen kann.
Sofern eine Übergewichtigkeit bei COPD besteht, mit Zunahme des Body-Mass-Index auf > 30 kg/m², kann sich zusätzlich ein sog. Obesitas-Hypoventilationssyndrom entwickeln, das seinerseits mit erhöhten Kohlendioxidwerten einhergeht. Eine extreme Variante stellt das Vorliegen sowohl einer COPD als auch einer Schlafapnoe und eines Obesitas-Hypoventilations-Syndroms dar.
Ein Teil der COPD-Patienten leidet allerdings nicht unter Übergewicht, sondern entwickelt eine fortschreitende Gewichtsabnahme, mitunter sogar Kachexie, aufgrund von Inappetenz oder mangelnder Verwertung der Nahrung. Hiermit verbunden ist oft ein fortschreitender Muskelabbau. Derartige Verläufe werden häufiger bei Patienten gesehen, die dem sog. „Pink-Puffer-Typ“ zuzuordnen sind und ein vorherrschendes und schweres Lungenemphysem haben.
Eine weitere bei COPD häufiger beobachtete Erkrankungen ist die Refluxösophagitis, im Volksmund „Sodbrennen“. Hier kann wiederum eine häufigere Einnahme von Kortison das Auftreten begünstigen. Dies gilt in gleicher Weise für den Diabetes mellitus, der durch seine Auswirkungen auf das Gefäßsystem die schädigenden Effekte des Nikotinkonsums noch verstärkt. Allgemeine Empfehlungen zur Verbesserung der Stoffwechselsituation durch Steigerung der körperlichen Aktivität mit mehr Bewegung scheitern häufig an der eingeschränkten Belastbarkeit durch die COPD, so dass sich sehr schnell ein Teufelskreis entwickelt.
Die chronische funktionelle Beeinträchtigung durch die COPD kann zwangsläufig zu depressiven Störungen führen, wenngleich durch die bei der COPD vorliegende chronische systemische Entzündung selbst eine Depression hervorgerufen oder begünstigt werden kann. Ein Mangel an Motivation im Rahmen depressiver Verstimmungen wirkt sich zwangsläufig ungünstig auf die Tagesgestaltung und die für zur Erhaltung der Muskelmasse so wichtige Mobilität aus.
Chronisch entzündliche Veränderungen haben ausserdem häufiger auch einen hemmenden Einfluss auf die Blutbildung, so dass ein Mangel an roten Blutkörperchen, den Transporteinheiten für den Sauerstoff, auftreten kann. Dieser hat verständlicherweise einen ungünstigen Effekt auf die Belastbarkeit.
Nicht zuletzt stellt die COPD indirekt als Folge eines langjährigen Nikotinkonsums ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Lungenkarzinoms dar. Dieses hat grundsätzlich, aber besonders auch abhängig vom zum Zeitpunkt der Diagnosestellung vorliegenden Tumorstadium, einen negativen Effekt auf die Prognose. Mitunter scheitern technische mögliche operative Eingriffe an der durch die COPD bedingten starken funktionellen Beeinträchtigung.
Als extrem seltene Erkrankung bei COPD-Emphysem kann eine Lungenfibrose vorliegen, ein Krankheitsbild, das CPFE („combined pulmonary fibrosis emphysema“ – also: kombinierte Lungenfibrose und Emphysem) genannt wird. Dieses ist durch eine unauffällige Lungenfunktion, aber durch eine schwere Gasaustauschstörung – also Sauerstoffmangel zunächst bei Belastung, später auch in Ruhe – gekennzeichnet und hat ein hohes Risiko für die Entwicklung eines Lungenhochdrucks und bösartigen Lungentumoren.
Zusammenfassend wird aus der Vielzahl der genannten Begleiterkrankungen sichtbar, dass die COPD eine „Systemerkrankung“ ist und nicht nur die Lunge betrifft. Die Behandlung muss deshalb über reine Maßnahmen wie die Anwendung von „Sprays“ hinausgehen.
Quelle:
Kongresszeitung - Symposium-Lunge 2018, Dr. med. Michael Westhoff
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